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wohninsider.atTRAINING : WISSEN
Was der Bundesgerichts-
hof im Urteil vom 12.10.16
zur Beweislastumkehr
ausführt
Bedeutet „europäische Beweis-
lastumkehr“ (EuGH-Urteil v.
04.06.15, C-497/13) tatsächlich
eine Umkehr der nationalen Um-
kehr der Beweislast (BGH-Urteil
v. 12.10.2016 VIII ZR 103/15)
oder ist die Beweislastumkehr
doch noch nach wie vor die Glei-
che?
Die aktuell geänderte Rechtspre-
chung des BGH zur Beweislas-
tumkehr bedeutet gerade nicht,
dass sich die Gesetzeslage selbst
geändert hat. Eine richtlinien-
konforme Auslegung führt im
Ergebnis letztendlich nur dazu,
dass zwischen akut und latent
kein Unterschied mehr gemacht
werden muss!
Seit Veröffentlichung der oben
genannten Entscheidung des
BGH ist aus anwaltlicher Sicht
ein deutlich gesteigertes Ge-
sprächsaufkommen mit besorg-
ten Möbelhändlern und Möbel-
herstellern zu verzeichnen.
Ausgangslage und Rechtspre-
chungstendenzen sind hierbei
länderübergreifend vergleichbar.
Fehlinterpretationen und be-
wusste Verzerrungen hinterlas-
sen aktuell den Eindruck, der
BGH habe seine Rechtsprechung
zum Verbrauchsgüterkauf hin-
sichtlich der Mängelhaftung in
den ersten sechs Monaten nach
Übergabe geändert.
Hat er das aber tatsächlich?
Oder versuchen Verbraucher-
verbände, Konsumentenschutz-
vereinigungen oder die Verbrau-
cher und Konsumenten zu ihren
Gunsten aufgrund einer bloßen
Auslegungsfrage aus einer Mü-
cke einen Elefanten zu machen?
Fraglich ist, ob der Handel in
den ersten sechs Monaten jetzt
noch „einfacher“ in die Haftung
zu nehmen ist, als das bislang
schon der Fall gewesen ist. Frag-
lich ist zudem, ob der Kunde in
den ersten sechs Monaten nach
Übergabe der Sache für eigene
Mangelverursachung nun wohl
gar nicht mehr in die Pflicht ge-
nommen werden kann? In die-
sem Fall würde die Gewährleis-
tung in den ersten sechs Monaten
nach Übergabe an sich eine un-
eingeschränkte „Haltbarkeitsga-
rantie“ darstellen!
Oder ist es doch ganz
anders als man denkt
oder uns glauben ma-
chen möchte?
Mit seinem aktuellen Urteil vom
12.10.2016 rückt der BGH von
seiner bisherigen Rechtspre-
chung zur Beweislastumkehr ab
und gibt diese zumindest teilwei-
se auf. Dies geschieht, insbeson-
dere deshalb, weil er es, um dem
europäischen Dogma zu entspre-
chen, im Rahmen europäischer
richtlinienkonformer Auslegung
schlicht einmal erledigen musste.
An der Haftung an sich hat sich
aber trotzdem nichts Grundle-
gendes verändert!
Zum Hintergrund:
Mit der Richtlinie 1999/44/EG
vom 25. Mai 1999 haben das
Europäische Parlament und der
Rat zu bestimmten Aspekten des
Verbrauchsgüterkaufs und der
Garantien für Verbrauchsgü-
ter (“Verbrauchsgüterkaufricht-
linie”) gemeinsame europäische
Rahmenbedingungen festgelegt,
um im kaufrechtlichen Bereich,
insbesondere zwischen Unter-
nehmern und Verbrauchern,
EU-weit einheitliche Regelungen
und damit einheitliche Abläufe,
einheitliche Haftungen und ein-
heitliche Ergebnisse zu gewähr-
leisten.
Die viel diskutierte Beweislast-
umkehr zugunsten des Konsu-
menten wurde dabei anhand
der vorgenannten EU-Richtlinie
(Art. 5 III) jeweils in nationales
Recht umgewandelt. Weder die
Richtlinie noch nationales Recht
wurden seitdem verändert.
siehe
Vergleichsgrafik rechts
.
Das heißt: Der Verbraucher muss
zwar darlegen und beweisen,
dass die von ihm gekaufte Sa-
che einen gewährleistungsrecht-
lich relevanten Mangel aufweist.
Kann er das und zeigt sich der
Mangel in den ersten sechs Mo-
naten nach Übergabe, muss er
nicht noch zusätzlich darlegen
und nachweisen, dass der Man-
gel bei Übergabe bereits vorhan-
den war, da dies dann vermutet
wird. Diese Vermutung impli-
ziert also die sogenannte Beweis-
lastumkehr.
Aber wenn sich nun weder der
Regelungsgehalt, noch die For-
mulierungen der EU-Richtlinie
bzw. des nationalen Gesetzes ge-
ändert haben, wieso sah sich der
BGH nach dem Urteil des EuGH
vom 04.06.15 („Faber-Urteil“)
nun gezwungen, „an seiner in
KATHARINA SELZ, RECHTSANWÄLTIN
Verschärfte Haftung des Handels?
Wer muss denn nun beweisen, dass die Ware mangelhaft übergeben wurde? Seit Veröffentlichung der
Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.10.16 (BGH - Urteil v. 12.10.2016 VIII ZR 103/15) ist
ein erhebliches Gesprächsaufkommen mit besorgten Möbelhändlern und Möbelherstellern zum Thema
Käuferrechte feststellbar.
Rechtsanwältin Katharina Selz
ist als Referentin der DGM Mö-
bel-Akademie, dem Seminar-
spezialisten in der Möbelbran-
che tätig.
Foto: privat