wohninsider Oktober/November 2017

wohninsider.at 113 TRAINING : WISSEN WALTER KANDUT Die Einrichter der Zukunft – Teams oder Einzelkämpfer! AM POINT OF SALE Walter Kandut ist Absolvent der HTL Vil- lach, war jeweils mehrere Jahre tatig in Kal- kulation und Verkauf einer Großtischlerei, Verkauf von exklusiven Wohnmobeln und Objekteinrichtungen im Innen- und Außen- dienst, Einkaufsleiter im Studiobereich und einem Einkaufsverband. Seit 2000 betreibt er die „agentur fur wohnen und mehr“ in Wien fur Studios und Handelsvertretungen. Foto: Walter Kandut D ie Zukunft wird es weisen, wohin die Reise geht! Der exklusive Möbel- handel steht vor einer Herausforderung seinesglei- chen. Die vergangenen Jahre wa- ren schon für viele kein Honigle- cken, der Umbruch ist mehr oder weniger voll im Gange, und da kommt mit leisen Schritten die nächste ernstzunehmende Her- ausforderung auf die Branche zu, zumindest für bekannte Marken. Ich spreche hier vom exklusiven Fachhandel außerhalb der Groß- fläche. Exklusive Vertrieb Bekannte Markenmöbel, keine Eigenmarken der Großen, wer- den bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich über den ausge- suchten Handel vertrieben, der sogenannte „exklusive Vertrieb“. Diese Händler werden leider im- mer weniger, weithin bekannte Nachfolgeprobleme und vor allem allgegenwärtiger Personalman- gel zwingt viele dazu aufzuhören oder sich auf kleinere Einheiten zu reduzieren. Diese gravieren- den Probleme alleine sind es aller- dings nicht. Es gibt einige am Markt, die nicht wissen wie sie sprichwörtlich überleben werden und andere die vor lauter Arbeit nicht wissen wo ihnen der Kopf steht. Dies ist auch ein Zeichen, dass kleine Einheiten keine oder zu geringe Bekannt- heit haben und nicht mehr wahr- genommen werden. Diese Situ- ation ist nicht zufriedenstellend, vor allem nicht im städtischen Be- reich bzw. noch schlimmer in den Großstädten. Selbstbewusste Einzelkämpfer Paradoxerweise genau in dieser Si- tuation, wo viele es aufgegeben ha- ben Personal zu suchen, entsteht stetig und immer sichtbarer eine neue erstzunehmende „Händ- lerschaft“ die den Markt gehö- rig durchmischt. Selbstbewusste Einzelkämpfer, die nicht mehr im Team arbeiten wollen oder kön- nen, machen sich selbstständig. Ohne Ausstellung, aber mit sehr guten Kontakten und einer schon fast präpotenten Kompetenz, die anscheinend dem Kunden gefällt. Dazu zählen aber auch viele Ar- chitekten, die in diesem Gewässer mitfischen. Spezialisten, die umfangreiche Pla- nungsaufträge an Land ziehen. Bei diesen Größenordnungen reichen zum Leben ein „paar“ Kunden pro Jahr. Die beispielhafte Beziehung zum Kunden ist so eng, dass eine eindeutige Empfehlungshoheit vorhanden ist. Wenn einschlägi- ge Marken nicht „beziehbar“ sind, wird geschickt auf andere Produk- te umgepolt, die vorgeschlagen Lö- sungen werden dann auch im Re- gelfall ausgeführt. Service wird umgesetzt Diese Planer erhalten meistens auch den Auftrag zur kompletten Umsetzung, d.h. sie treten auch als klassischer Händler auf. Durch den ausgelagerten Servicebereich und die besten Kontakte zu diesen Professionisten ist es eine einfache Übung dies auch umzusetzen. Wenn es nur einzelne sind, also eine verschwindende Minder- heit, ist es eine vernachlässigbare Größe. Wenn aber eine kritische Masse überschritten wird ist es ein echtes Problem, vor allem für hochwertige Marken. Es ist zu hin- terfragen warum solche Varianten überhaupt entstehen. Sind die be- teiligten Personen nicht fähig zur engeren Zusammenarbeit, ist es scheinbarer Brotneid oder einfach die banale Profitgier. Es kann aber ganz einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit sein, um in der Branche zu überleben. Auf der anderen Seite ist der Kun- de mobiler geworden und lässt sich nicht mehr zwingen bei einem be- stimmten Händler zu kaufen, die meist fehlende Chemie zwischen Kunden und Verkäufer ist dabei ein entscheidender Grund. Bis dato wurden diese neuen „Händler“ vom etablierten Han- del ganz einfach ignoriert. Regio- nale Belieferungsverbote wurden mit den Herstellern ausverhandelt oder die Erzeuger grenzten diesen Bereich bis dato einfach aus. Das ist (war) der Grundgedanke gegen dieses System, dagegen ist ja auch nichts einzuwenden, es hat viele Jahrzehnte lang gut funktioniert. Wenn aber immer weniger poten- te Händler vorhanden sind, blei- ben für einzelne Marken immer weniger Möglichkeiten um auf ge- nügend Ausstellungsflächen den benötigten Umsatz zu erzielen. Das zwingt viele zur Eigenver- marktung. Wie gehen wir damit um? Aber macht die Branche die Rech- nung mit dem Wirt? Werden die Kunden nicht immer anspruchs- voller oder sind es gerade die Kunden, die diese Veränderung wollen? Werden die Kunden das reduzierte Händlernetz akzeptie- ren oder die neuen Spezialisten überhaupt finden? Sie sind jetzt schon ständig auf der Suche nach dem Einrichter ihres Vertrauens. Bleibt deshalb der Kunde nicht auf der Strecke und geht dann genervt noch mehr in die Flä- che? Oder will der Kunde nur die „richtigen“ Personen und entste- hen deshalb überhaupt solche spe- zifischen Auswüchse des Marktes? Der bestehende Handel erkennt nur zögerlich die Vorteile, die aus dieser Situation entstehen können. Dem Handel fehlt es an Perso- nal – dem Einzelkämpfer fehlt es an Marken, er darf ja nicht belie- fert werden. Es ist sicher nicht für den kompletten Handel eine pas- sende Lösung. Für bestimmte Per- sonen und Regionen wäre es aber ein Lösungsansatz – existierten da nicht persönlichen Animositä- ten… Die ganze Sache ist keine Einbahnstraße, es kann durchaus für beide Seiten Vorteile ergeben. Vakante Personalprobleme könn- ten gelöst werden bzw. zu gerin- ge Auslastung könnte überbrückt werden. Kann man beide Seiten unter einem Hut bringen oder ist der ausgeprägte Egoismus, wie in der Gesellschaft weit verbreitet, schon zu weit fortgeschritten? Die grundsätzliche Frage stellt sich daher: wie gehen wir damit um? Als kompetenter Einzelner und als visionäre Branche. Wollen oder können wir dies von innen her- aus steuern oder reagieren wir nur mehr und verzichten aufs Agieren? Eine spannende Herausforderung und eine ungewisse Reise in die Zukunft. Man darf gespannt sein. wk@agentur-kandut.at

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