wohninsider_FebruarMärz 2018
22 wohninsider.at BRANCHENTALK E ines vorweg, der Möbelhan- del konnte auch 2017 wachsen. Mit 2,1% liegt er den Hoch- rechnungen zufolge zwar über dem Wachstum von 2016, aber trotzdem unter den Erwartungen, zumal das Wachstum im Wesentlichen preisge- trieben war. Die Gründe für die absatzsatz- seitig flache Entwicklung sind für Andreas Kreutzer, seines Zeichens Geschäftsführer von Branchenradar.com, schnell gefunden: „Das Problem im Einrichtungsmarkt ist, dass alle Warengruppen, die vom Neubau getrieben werden, ganz gut funktionieren. So verkaufen sich etwa Weißware, Küchen und alles was dazu gehört, ganz ordentlich. Andere Warengruppen hingegen stagnie- ren, weil „es sich um Möbel handelt, die bei einem Umzug, oftmals mitgenommen wer- den. Da ist wenig Bewegung drinnen“, so Kreutzer feststellend. Etwas gebremst wird das vom Neubau getriebene Wachstum al- lerdings durch den Umstand, dass die fer- tiggestellten Wohnungen tendenziell klei- ner werden. Und das alles in allem deutlich mehr Wohnungen als Einfamilienhäuser gebaut werden. Einem Plus von 15.-17.000 neuen Einfamilienhäusern stehen 30.- 40.000 neue Wohnungen gegenüber. (2017 wurden alleine in Wien 20.000 neue Woh- nungen bewilligt, was einem Rekordwert entspricht.) In Summe ist der Möbeleinzel- handelsmarkt 2017 um 100 Mio. Euro auf knappe 4,5 Mrd. gewachsen. Großfläche wächst In Hinblick auf die Vertriebskanäle hält Kreutzer trotz anderslautenden Meinungen fest, dass die Großfläche (auch der zuletzt in die Schlagzeilen geratene Kika/Leiner) da- bei an Marktanteilen gewinne. Die machen die Masse. Zwar gibt es auch einen erkleck- lichen Anteil an Möbelstudios, die gut funk- tionieren, aber das sind jene, die eine ganz bestimmte, eher einkommensstarke Ziel- gruppe ausgemacht haben. Kreutzer: „Der Punkt ist der: Wenn das Wachstum primär neubaugetrieben – und hier getragen vom sozialen Wohnbau ist – kann man nicht er- warten, dass hochwertige Studios massiv an Marktanteilen gewinnen. Erstausstat- ter sind nicht wirklich deren Zielgruppe.“ Doch auch Möbelhäuser und große Kü- chenmöbelstudios sollten überlegen ob es sinnvoll wäre die Ausstellungen der aktu- ellen Nachfragestruktur anzupassen. Soll heißen: Es ist zwar schön und repräsentativ, wenn in den Geschäften üppige Küchenin- seln ausgestellt seien. Aber, zitiert der Ana- lyst in diesem Zusammenhang den großen Banker Alfred Herrnhausen frei: „Bitte die Dinge zu Ende zu denken!“ Denn, in die meist kleinen Küchen der Neubauten und Erstausstatter passen nun mal keine Inseln, daher sei ein Anbieter wie Nobilia mit Kü- chenzeilen so erfolgreich. Rotes Tuch Online-Handel Viel Fehlinformation und Glaubenssätze beherrschen auch das Thema Online-Han- del. „Wenn das Geschäft nicht geht, reden sich viele auf den Online-Handel aus. Doch vielen der Zahlen die da und dort kolpor- tiert werden fehlt jeder Bezug zur Realität. Anlass genug für Kreutzer ab 2018 in al- len Auswertungen des Branchenradars das Thema Online-Handel detailliert zu be- handeln. Ein Fehler, dem hier viele aufsit- zen, sei, so Kreutzer, dass Click&Collect nicht dem Online-Handel zuzurechnen sei. Denn: „Ein Wesen des Distanzhandels ist, dass die Bestellung von einem anderen Ort als dem Geschäft getätigt und die Ware zu- gestellt werden müsse. - Alles andere ge- hört schlichtweg nicht dazu.“ So kursierten in der Branche sogar Zahlen von 9% On- line-Anteil bei Möbeln, aber 400 Mio. Euro Umsatz im Online-Bereich sei schlicht un- möglich. „Never ever kommen wir da- hin“, so Kreutzer. Nicht einmal, wenn man Wohnaccessoires und Click&Collect hin- BRANCHENRADAR „DIE DINGE ZU ENDE DENKEN“ Fast schon traditionell werfen wir Anfang des Jahres gemein- sam mit Mag. Andreas Kreutzer von Branchenradar.com einen genaueren Blick auf die Markt- entwicklung des heimischen Einrichtungshandels. Auch diesmal trafen wir den Analys- ten und Geschäftsführer des Marktstudien-Unternehmens zur Beurteilung und Prognose. V on L illy U nterrader und G erhard H abliczek Mag. Andreas Kreutzer im Gespräch mit wohninsider-Herausgeber Gerhard Habliczek. Fotos: wohninsider/Lilly Unterrader „Wenn das Geschäft nicht geht, reden sich viele auf den Online-Handel aus. Aber da muss ich den Kopf schütteln, weil da wird viel Blödsinn erzählt, teilweise auch befüttert von den Medien.“ „Wir hatten 2017 einen Aufwärtstrend.“
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