wohninsider April/Mai 2018

wohninsider.at 129 TRAINING : WISSEN WALTER KANDUT Trend ist Design – Design ist Trend! AM POINT OF SALE Walter Kandut ist Absolvent der HTL Vil- lach, war jeweils mehrere Jahre tatig in Kal- kulation und Verkauf einer Großtischlerei, Verkauf von exklusiven Wohnmobeln und Objekteinrichtungen im Innen- und Außen- dienst, Einkaufsleiter im Studiobereich und einem Einkaufsverband. Seit 2000 betreibt er die „agentur fur wohnen und mehr“ in Wien fur Studios und Handelsvertretungen. Foto: Walter Kandut D esign, und vor allem Möbeldesign, ist ein viel strapazierter Be- griff und wird auch sehr oft missbräuchlich verwendet. Mir ist schon bewusst, dass diese Auslegung von sehr persönlichen Betrachtungswinkeln abhängig ist. „Design“ ist aber ein umfassender Begriff, wo auch gesellschaftliche Entwicklungen einfließen und dort auch als kollektives Korrektur-Ins- trument eingesetzt werden sollten. Bei der Entwicklung, dem Design neuer Produkte, dürfen nicht nur wirtschaftliche Erfordernisse, wie verbreitet in der Modeindustrie, vorherrschen. Auf die Bedürfnisse der Menschen und ihrer Zukunft, sowie die langfristigen Auswirkun- gen auf unsere geschundene Natur, sollte genauso geachtet werden. Früher war jeder Handwerker auch Designer, erst durch die allmähli- che Industrialisierung ist der Be- ruf des Designers entstanden. Jetzt scheint es, dass beinahe jeder der einen Bleistift halten kann ein sol- cher ist. Langfristig erfolgreich sind jedoch nur die wenigen wirklich Kreativen. In Summe sind jedoch die allgegenwärtigen Plagiate lei- der meistens wirtschaftlich erfolg- reicher. Wir als Konsumenten hät- ten es in der Hand dem entgegen zu wirken. Wenn so etwas nicht ge- kauft wird, würden sie gleich wieder vom Markt verschwinden. „Suchende nach dem Richtigen“ Die einen kaufen nur weil ein be- rühmter, bekannter Designer oder verbreitetes Design dahintersteht – egal ob es eine gute Qualität, öko- logisch oder nicht auf Kosten der Ressource Mensch produziert wird. Nach dem Motto, man muss es ha- ben um jeden Preis. Die anderen kaufen, weil sie Qualität (z.B. Sitz- komfort) und das optische Gesamt- konzept für gut und leistbar fin- den, die sind aber inzwischen in der Minderheit. Hier trifft Design auf den vertrau- ten Begriff Trend. Der meisten Kunden werden dadurch zum stän- dig „Suchenden – nach dem Rich- tigen“ und lassen sich dabei immer mehr (ver)leiten und beeinflus- sen. Man läuft dadurch einem ver- meintlichen „Trend“ hinterher. Das beste Beispiel in unserer Branche ist die Möbelmesse in Mailand. Man möchte meinen, fast blindlings und meines Erachtens zu wenig kritisch, wird nach dem „neuesten Trend“ gesucht. Es wird zu wenig hinter- fragt, was eine reine Inszenierung ist, um den Markt vor sich her zu treiben. Mit enormem finanziel- len Einsatz der Industrie und be- kannten Designern wird versucht, Trends zu schaffen oder besser ge- sagt zu beeinflussen. Ein Trend ist es erst, wenn er schon wieder vorbei ist und die unzähligen Kopien auf diesen Zug aufspringen und breit vermarkten. Man läuft daher im- mer wie einem Phantom hinterher. Design und Trend hängen dadurch untrennbar zusammen. Man kann dieses Prinzip auch durchbrechen, dazu braucht man ein „Liebkind der Nation“ und eine finanzstarke Industrie. Durch den enormen technischen Aufwand und die gesetzlichen Vorgaben (sie- he Abgaswerte) entsteht ein Pro- dukt das immer vergleichbarer ist, sowohl in der Technik als auch im weitgehend gleichgeschalteten De- sign. Vom günstigen Produzenten bis zur noblen Karosse hat sich eine schon fast einheitliche Formenspra- che entwickelt, so hat es zumindest den Anschein. Bringt einer ein neu- es Modell auf den Markt ziehen die anderen sofort nach. Die enorme Vielfalt der möglichen Ideen wird auf einige wenige Aspekte run- tergebrochen. Günstige Produkti- onsmöglichkeiten und grenzenlose Profitsucht der Konzerne (besser In- vestoren) verstärken dies. Es ist mir schon bewusst, dass ich hier über- treibe, aber auf das läuft es ja hin- aus. Wenn ich an unsere viel gelieb- ten Mobiltelefone denke, (fast) alle Käufer wollen das gleiche Design und hier ist auch die Technik da- hinter weitgehend vergleichbar. Al- ternative Modelle werden als Exo- ten abgestempelt. Design wird hier auch als offenes Manipulationsmit- tel eingesetzt, ohne allzu große Ge- genwehr der Nutzer. Aber das ist eine andere Baustelle. Es scheint, dass so eine Entwicklung wider- spruchslos zugelassen wird. Wenige Konzerne versuchen mit allen Mit- teln vermeintliche Trends massiv zu beeinflussen. Die mögliche Vielfalt und unbegrenzte Individualitäten gehen damit zunehmend verloren. Design zur umfassenden Entwicklung Design und vor allem Möbeldesign sollte wieder eine umfassende Ent- wicklung sein, wo auch die schon fast vergessene Natur wesentlich stärker berücksichtigt werden soll- te. Nicht nur rein wirtschaftliche As- pekte sollten entscheidend sein. Was nützt uns das schönste Design, wenn die Menschheit sich selber das Grab schaufelt. Beispielgebend sei hier die verheerende Verschmutzung der Gewässer und Meere durch Plas- tik. Design sollte zu seiner ursprüng- lichen Definition zurückfinden. Lt. Wikipedia: „Design beinhaltet eine Vielzahl von Aspekten und geht über die rein äußerliche Form- und Farbgestaltung eines Objekts hin- aus. Insbesondere umfasst Design auch die Auseinandersetzung des Designers mit der Funktion eines Objekts sowie mit dessen Interakti- on mit einem Benutzer“. Ich möch- te noch die Auswirkungen auf un- sere Natur und Umwelt hinzufügen. Lichtblicke Und doch gibt es Lichtblicke, wer Geld hat investiert in Möbel, scheint es. In diesem Sog entwickeln sich zaghaft, im Verhältnis zumGesamt- markt, Produkte die wieder ver- mehrt auf handwerkliche Qualität der Erzeugnisse wertlegen. Dazu gehört auch, die Produktion nicht in Billiglohnländer auszulagern und Ressourcen schonende, umweltge- rechte und nachhaltige Erzeugnis- se herzustellen. Kleine und mittel- ständische Erzeuger und kreative Möbeldesigner versuchen hier Vor- gaben für einen schon längst über- fälligen Wertewandel zu liefern. Die individuellen, funktionalen und be- nutzertauglichen Aspekte in einem Gesamtkonzept zu berücksichtigen. Massenwaren wollen und können darauf nicht Rücksicht nehmen.Da- von gibt es leider immer weniger, zu lange ist auf die Ausbildung junger Leute zu wenig Wert gelegt worden. Ich hoffe das ändert sich und wir be- kommen keine Verhältnisse in unse- rer Branche, wie oben beschrieben. Daher kann man abschließend sa- gen ohne individuellem, persönli- chem Design spielen Sie nur in der zweiten oder dritter Liga, mit (eige- nem) Design sitzen Sie in der ers- ten Reihe. Legen wir als ausschlag- gebende Konsumenten mehr Wert auf Nachhaltigkeit und authenti- sches Design. wk@agentur-kandut.at

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